Vielleicht hab ihr schon etwas in der Presse oder im Internet über das frisch gegründete sozial-ökologisch orientierte "
Institut Solidarische Moderne" gehört, aber ich wollte neben einem Linkeintrag auch einen Blogbeitrag liefern, um dieses interessante Projekt bekannter zu machen und verweise daher auf den am 31. Januar in Berlin verabschiedeten
Gründungsaufruf, aus dem nun ein Auszug folgt:
Die Zeit ist reif für einen neuen Politikentwurf. Die existenziellen gesellschaftlichen Gefahren verlangen politisch realisierbare Antworten. Die Probleme unserer Welt sind offenkundig: von den ökologischen und wirtschaftlichen Grenzen des bisherigen ressourcenvernichte
nden Wachstums bis zum gravierenden Gefälle zwischen individueller Reichtumsanhä
ufung und um sich greifender Armut, von der alltäglichen Missachtung der Menschenrechte bis zu vielen neuartigen Konflikten und Friedensgefährdungen
. Doch obwohl inzwischen all diese Probleme hinlänglich bekannt und Gegenstand zahlreicher Weltkonferenzen gewesen sind, haben sie sich in den letzten beiden Jahrzehnten dramatisch zugespitzt. Wesentlicher Grund dafür ist die Hegemonie des Neoliberalismus in Politik und Wirtschaft, der unter dem Deckmantel vermeintlicher „Ideologiefreiheit" und „Alternativlosigkeit
" einen beispielhaften Siegeszug feierte – mit verheerenden Folgen für Mensch, Natur und Gesellschaft.
Ein substanzieller politischer Gegenentwurf zur Ideologie des Neoliberalismus ist überfällig. Zu lange wurde verkündet, dass es (leider) keine Alternative gebe. Manches auf der Welt mag „alternativlos" sein: Wer Probleme langfristig lösen will, anstatt kurzfristig Symptome zu bekämpfen, muss auch vernetzt und langfristig denken, dazu gibt es keine Alternative. Eine politische Position hingegen kann niemals alternativlos sein. Die politische Alternative zum Neoliberalismus muss die untrennbaren Wirkungszusammenhä
nge von Ökologie und Wirtschaft sowie von sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Menschen beachten. Sie muss den Grundwerten der freiheitlichen Selbstbestimmung und der grenzüberschreitende
n Solidarität verpflichtet sein. Diese Alternative entsteht nicht von selbst. Sie muss erdacht, entwickelt und erprobt werden. Die gemeinsame Suche nach Alternativen ist ein entscheidender Beitrag dazu, dass aus der danach fragenden gesellschaftlichen Mehrheit wieder eine politische Mehrheit in demokratischen Wahlen wird. Dafür gründen wir den Verein „Institut Solidarische Moderne".
Ich bin wirklich gespannt auf die Entwicklung des Instituts, ist es doch enorm wichtig, sowohl das Nachdenken über konkrete Alternativen und Strategien zu intensivieren und zu vernetzen als auch die politische Bildung und Aufklärung zu stärken und auszuweiten - warum nicht auch in reformistischer Absicht? Wenn das neue Institut dort einen Beitrag leisten kann, ist dies sehr zu begrüßen, auch wenn aus meiner Sicht letztlich eine radikalere, antikapitalistische Perspektive in Theorie und Praxis nötig ist. Zugleich sollte die Dialektik zwischen Reform und Revolution nicht so verstanden werden, dass wir bis zur Revolution nichts tun sollten oder könnten. Gehen wir wie mein Prof. Georg Fülberth davon aus, dass der Kapitalismus noch fast 500 Jahre bestehen würde, sollten wir uns darum kümmern, die Gefahren dieses Gesellschaftsystems zu blockieren und zugleich seine Potenziale auszuschöpfen (Fülberth 2006: G Strich. Kleine Geschichte des Kapitalismus, S. 300). Auch wenn man diese Ziele natürlich reformistisch nennen kann, ist es sehr wohl wert darum zu kämpfen.