8. Januar 2009

Viva la revolución !

Nachdem sich nicht nur die "üblichen Verdächtigen" wie die junge Welt und andere Linke Organisationen, Medien und Einzelpersonen zu dem 50. Jahrestag der sozialistischen Revolution in Kuba, sondern auch Henning mit einem BBC-Audiobeitrag (obwohl dort einige angeblich "kritische" Argumente zu Wort kommen, denen ich widerspreche - mal sehen, ob ich noch dazu komme, in einem Kommentar darauf zu reagieren) zu Wort gemeldet hat, und ich auch noch die Teilnahme an der Wette zur revolutionären Gratulation zugunsten Kubas Kinder um einen Tag verpasst habe, möchte ich mich ebenfalls zur Revolution und der Entwicklung des karibischen Landes äussern. Erst einmal bin ich erfreut, dass die Wette, dass mindestens 1.000 Menschen Kuba zu 50 Jahren Revolution gratulieren, nicht an meiner fehlenden Unterschrift gescheitert ist und sogar 4.620 Euro durch 2.310 Glückwünsche zusammengekommen sind. Auch wenn ich letztes Jahr durch Teilnahme an der Solidaritätsbrigade Brigade Québec-Cuba, über die ich wie versprochen noch näher berichten werde, bereits meine aktive kritische Solidarität mit den KubanerInnen und den Errungenschaften der Revolution konkret gemacht habe, sollte ich wohl wenigstens die zwei Euro für das Cuba Sí Projekt Milch für Kubas Kinder spendieren, die ich erst durch fehlende Internetverbindung und dann Ablenkung nicht durch Unterstützung der Wette sichern konnte. Wie ich hoffentlich bald genauer berichten kann, stellte sich mir die Situation in Kuba sehr anders dar als sie in westlichen Medien präsentiert wird: die Grundversorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln ist durch Produktivitätszuwächse der Landwirtschaft mittlerweile gesichert und die weiteren grossen Errungenschaften der Revolution, freie Bildung und Gesundheitsversorgung wurden selbst in grösster Not in den 1990er Jahren nicht angetastet wie es in jedem kapitalistischen Land zweifelsohne passiert wäre in einer Situation, in der 85 Prozent des Aussenhandels quasi über Nacht wegbrachen. Neben der Tatsache, dass Fidel, Che, Raul und die anderen Guerillos tatsächlich ihr Leben für die Revolution riskiert haben, anstatt wie andere "Führer der Welt" die Söhne und Töchter aus meist defavorisierten Familien für "nationale Interessen" in den Tod zu schicken, ist das Festhalten an den zentralen Errungenschaften und revolutionären Grundsätzen einer der wichtigsten Gründe, warum sich die Regierung in Havanna bis heute grosser Unterstützung der Bevölkerung sicher sein kann. Gerade die jungen Menschen, die die Revolution nicht erlebt haben und denen ein westliches Konsummodell attraktiv erscheint, sehen die sozialen Leistungen des Staates als gegeben an und würden einer möglichen "Öffnung" der Insel für eine kapitalistische Produktionsweise in Verbindung mit Sozialkürzungen m.E. massiven Widerstand entgegensetzen. Das Ausmass der Verehrung für Fidel Castro und Ernesto Guevara durch die meisten Menschen, denen ich dort begegnet bin, hat mich trotz des Anliegens der Solibrigade, positive Aspekte des Lebens in Kuba zu erleben, schon überrascht. Selbst in der vierten Woche, in der wir durchs Land nach Osten reisten, sind uns nur zwei Menschen begegnet, die deutliche Kritik am Regime äusserten, aber selbst diese waren weit davon entfernt, sich den Kapitalismus herbeizuwünschen, sondern verlangten mehr wirtschaftliche und Meinungsfreiheit. Dieser Forderung kann ich mich nur anschliessen in Verbindung einer nötigen Demokratisierung, die die Interessen der Bevölkerung stärkt, d.h. aber auch keine Scheindemokratisierung westlichen Zuschnitts mit einem parlamentarischen Mehrparteiensystem wie in dem BBC-Beitrag anklingt, denn dieses funktioniert ja bei uns so gut, dass die Regierungen in den meisten zentralen Fragen (in der BRD z.B. Rente mit 67, Afghanistan, Mindestlohn etc.) gegen die Bevölkerungsmehrheit agieren. Trotz eines autoritären Regimes in Havanna und der staatlichen Organisation (und somit auch Kontrolle) der CDR finde ich das Konzept der Komittees zur Verteidigung der Revolution vielversprechend, denn sie ermöglichen einen hohen Grad an politischer und gesellschaftlicher Organisierung der lokalen Bevölkerung. Ich könnte noch lange weiterschreiben, möchte aber langsam zum Schluss kommen und vor einem Zitat noch darauf hinweisen, dass ich das Thema Menschenrechte in weiteren Beiträgen behandeln werde. Deshalb hier nur der Hinweis, dass diese eben auch soziale Meschenrechte beinhalten, die in Kuba als ein Land der Dritten Welt Vorbildcharakter haben.
Die abschliessende Aussage, die alle berechtigte und nötige Kritik an der kubanischen Politik in eine vernünftiges Verhältnis setzt, stammt von Brian Wilson, ehemaliger britischer Aussenminister aus dem Jahr 2003 und lautet:
  • "Kritik (an Kuba) sollte niemals die Tatsache ignorieren, dass Kubas wichtigster Beitrag für die Welt darin besteht, den lebendigen Beweis dafür zu liefern, dass es möglich ist, Armut, Krankheiten und Analphabetismus in einem Land zu besiegen, das mit allen dreien mehr als vertraut war. Das ist ein ziemlich großer Nutzen. Und die Tatsache, dass dies angesichts anhaltender Feindschaft eines zwanghaft besessenen Nachbarn erreicht wurde, macht alles umso erstaunlicher.
Ich freue mich auf eine Diskussion mit meinen LeserInnen zu diesem, aber auch allen folgenden Beiträgen, die im 50. Jahr der Revolution (In Kuba wird sie als immer noch laufenden Prozess gesehen) hier erscheinen werden!

3 Kommentare:

Henning hat gesagt…

Ich finde deine Erweiterung des Menschenrechtsbegeriffs auf Soziale Rechte Nachvollziehbar. Dennoch ist es legitim und wichtig darauf hin zu weisen das es mit Meinungsfreiheit und politischer Freiheit in Kuba nicht zum Besten steht, wie das der von mir verlinkte BBC Beitrag tut. Dieser hat natürlich eine Pro westliche Sichtweise aber auch das finde ich nicht verwerflich. eher Billig finde ich deinen wütenden Verweis auf Guantanamo und andere massive Fehler der Demokratie.Diese kann man zwar zurecht kritisieren allerdings haben Demokratien einen Vorteil gegenüber dem Kubanischen Modell sie verfügen über Institutionen um Probleme auch auf Druck der Bevölkerung zu lösen. Kritisiere ich In Kuba zu laut lande ich im Knast.

Zu Guter letzt möchte ich etwas Spitzfindig auf einen Widerspruch hinweisen. Du schreibst die Versorgung mit Nahrung sei gesichert. Wie passt es dann ins Bild das cuba si Geld für Milch für Kinder sammelt? Hurricane Folge?

Grüße nach Frankreich

fabelhaftewelt hat gesagt…

Also Guantanamo habe ich doch gar nicht erwähnt und auch nicht "wütend". Mir ging es eher um den Angriff auf Freiheitsrechte im Rahmen des Ausbau eines "Sicherheitsstaats"! Guantanamo gehört dazu, aber ich dachte vor allem an aktuelle Entwicklungen in Deutschland wie der Vorratsdatenspeicherung u.ä.
Das Cuba Si Projekt stammt aus einer Zeit, in der die Versorgungslage sehr problematisch war. Das hat sich enorm entspannt. Dennoch gibt es in manchen Berreichen noch Einschränkungen, z.B. durch die unzureichende Milchproduktion wird der Milchkonsum der Erwachsenen zugunsten der Kinder beschränkt.
Ich wollte nur meine Erfahrung teilen, dass wir ungleublich gut gegessen haben, nicht nur reis und Bananen, sondern auch viel Fleisch etc. ich dachte, wir würden nur karge Kost bekommen und als sie so üppig ausfiel musste ein altgedienter Brigadist meinen Verdacht ausräumen, dass die KubanerInnen zu unseren Gunsten verzichten. Die Vorsorgungslage 2008 war jedenfalls viel viel besser als vor einigen Jahren. das Paradis auf Erden ist Kuba deswegen noch lange nicht und die landwirtschaftliche und sonstige Produktion muss natürlich weiter ausgebaut werden, ebenso wie die Hurricanschäden behoben werden müssen.

fabelhaftewelt hat gesagt…

Und fehlende Freiheiten habe ich doch auch kritisiert.
Natürlich hat das westliche Modell auch Vorteile, aber damit Parlamentarier tatsächlich auf den Druck der Bevölkerung reagieren muss aber schon viel passieren. Uns fehlen einfach Elemente direkter Demokratie auf Bundesebene und einfachere Verfahren auf allen Ebenen. Da finde ich die Idee der CDR interessant, eben mit der Einschränkung, dass sie aus der Revolution enstanden und somit zunächst staatlichen Ursprungs sind.
Sicherlich gibt es politische Gefangene und das ist zu kritisieren, aber deren Zahl hat deutlich abgenommen. Zudem werden - offiziell zumindest - nur Menschen inhaftiert, die konkret in regimefeindliche Aktionen wie z.B. Anschläge oder ähnliches verwickelt sind. Somit verteidigt sich das Land nach Regierungslesart nur gegen Angriffe von innen und aussen. Dieses oft billige Argument möchte ich gar nicht verteidigen, aber das erinnert doch stark an die Rhetorik westlicher Staaten im Kampf/Krieg gegen den Terrorismus...
Und nur wegen einfacher Kritik lande ich dort noch lange nicht unbedingt im Knast. Das ändert jedoch nichts in meiner Auffassung, dass die kubanische Bevölkerung mehr Freiheit braucht, aber eben nicht mehr Kapitalismus. Das möchte ich nämlich nicht miteinander verwecheln.

 
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