"In The Shock Doctrine, journalist Klein trains her sharp investigator's eye upon the flaws of neoliberal economics. This meticulously researched alternative history, ranging from economist Milton Friedman's "University of Chicago Boys" to George W. Bush, brings Klein's argument into the present. Using stirring reportage, she shows the ways that disasters— unnatural ones like the war in Iraq, and natural ones like the Asian tsunami and Hurricane Katrina—allow governments and multinationals to take advantage of citizen shock and implement corporate-friendly policies: Where once was a Sri Lankan fishing village now stands a luxury resort. The Shock Doctrine aims its 10-foot-long middle finger at the Bush administration and the generations of neocons who've chosen profits over people in war and disaster; the effect is to provide intellectual armor for the now-mainstream anticorporatist crowd."
Lenora Todara, Village Voice, December 5, 2007
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The Shock Doctrine: A short film by Alfonso Cuarón and Naomi Klein
Vor kurzem bin ich durch unten stehende Rezension auf das neue Buch von Naomi Klein aufmerksam geworden. Obige Rezension und der Kurzfilm geben einen Eindruck des Inhalts auf englisch. Für deutschsprachige Interessierte habe ich den folgenden Text aus der jungen Welt entnommen.
Nihilismus mit System
Reißerisch ist daran nichts: Mit »Schock-Strategie« hat Naomi Klein ein hervorragendes Buch geschrieben
Christoph Jünke, junge Welt Rezension vom 17.11.07
Lenins Satz, daß der Kapitalismus seinen Gegnern und Opfern auch noch den Strick verkauft, an dem er sie aufhängt, gilt weiterhin. Nichtsdestotrotz ist die geschichtliche Entwicklung bereits einen gehörigen Schritt weiter gegangen. Nachdem vor zwei Jahren der Wirbelsturm »Katrina« New Orleans zerstört hatte, beauftragte die US-Regierung die Tochterfirma eines Bestattungskonzerns, der einer der großen Geldgeber des Bush-Wahlkampfes war, mit der Einsammlung der fast 2000 Toten. 12500 Dollar pro aufgesammelte Leiche stellte die Firma der Regierung, also dem Steuerzahler, bzw. der Gesellschaft in Rechnung. Die zu bezahlende Leistung erwies sich als mangelhaft erbracht. Es häuften sich Klagen über nicht oder falsch registrierte Tote, die auch noch sehr gemächlich eingesammelt wurden: Noch nach einem Jahr wurden verweste Leichen auf Dachböden gefunden.
In ihrem neuen Buch »Die Schock-Strategie«, das sofort nach Erscheinen zum Bestseller wurde, versammelt Naomi Klein viele solcher kleinen und großen Geschichten. Doch darauf spielt ihr Titel nicht an. Mit Schock-Strategie bezeichnet sie den Umstand, daß die Herrschenden gelernt haben, gesellschaftliche Katastrophen jeder Art für ihre Zwecke auszunutzen. Das Desaster gilt ihnen als entzückende Chance, mittels ökonomischer Deregulierung ehemals staatlich-gesellschaftliche Aufgaben zu privatisieren. Selbstredend werden dabei die Verluste sozialisiert.
Die Konsequenzen dieser »Schock-Strategie« zeichnet Klein für das letzte halbe Jahrhundert nach. Dabei schreibt sie, anders als es die bürgerlichen Medien kolportieren, keinesfalls reißerisch. Im besten traditionellen Sinn wird man hier aufklärt über das Ausmaß der ökonomischen Barbarisierung und über deren gesellschaftspolitische Bedingungen. Wer nicht den Kopf verlieren will in einer Zeit, die hierzu einlädt, muß »Schock-Strategie« lesen, anstatt sich das Buch nur in das Regal zu stellen. Mit journalistischer Verve und mit detektivischem Sinn hat Klein die (nicht selten geheime) Geschichte des neoliberalen Kapitalismus in Lateinamerika, Asien, Osteuropa und der USA aufgeschrieben.
Wo andere nur oberflächliche Ähnlichkeiten einzelner Phänomene ausmachen können, stiftet sie Zusammenhänge. Was hat der Wirbelsturm »Katrina« mit dem Irak-Krieg zu tun? Wie hängt die Aufstandsbekämpfung gegen die lateinamerikanische Guerilla der 1960er Jahre mit dem Finanzcrash in Asien Ende der 1990er Jahre zusammen? Und wie die lateinamerikanische Schuldenkrise mit der ökonomischen Schock-Strategie, die nach 1989 in Osteuropa angewendet wurde? Besteht eine Verbindung zwischen den Folterbildern aus Abu-Ghraib und den wissenschaftlichen Forschungen eines Psychiaters in den 1950er Jahren?
Bei der Klärung dieser Fragen bündelt Klein viele wichtige Arbeiten zur Kritik des Neoliberalismus. Das macht das hervorragende Buch nicht nur zu einer interessanten Form von Netzwerkarbeit, sondern auch zu einem Kompendium. Sehr überzeugend verdeutlicht sie die neue Qualität der Entstaatlichung. Sie stellt einleuchtend dar, wie die US-Regierung nach dem Schock des 11. September 2001 den eigenen Staat aushöhlt: Unter dem Banner des »Kampfes gegen den Terror« wird ein ökonomischer Katastrophen-Kapitalismus-Komplex als neue Leitindustrie durchgesetzt, der auf der umfassenden Privatisierung des Krieges und des weltweiten Katastrophenschutzes aufbaut. So wird ein neuer Sicherheitsstaat geschaffen, der der neoliberalen Vision eines gleichsam hohlen Staates entspricht. Das ist eine Herausforderung für jede Diskussion um das Wesen und die Zukunft heutiger Demokratien.
Wie sonst nur wenige zeigt Klein auf, daß die durchschlagende Politik der Deregulierung und Privatisierung gesellschaftlichen Reichtums keine Leidenschaft esoterischer Entscheidungsträger ist, sondern das Mittel eines Herrschaftsprojektes. Dieser Klassenkampf von oben reagiert auf die radikaldemokratischen Bedürfnisse und Bewegungen, indem er ihnen nicht nur die institutionellen Grundlagen ihrer »Gegenmacht« entzieht, sondern ihnen auch noch das Bewußtsein ihrer (wie auch immer kollektiv verankerten) individuellen Identität nimmt. Es waltet ein Nihilismus mit System, der sich in neueren Foltermethoden auf erschreckende Weise niederschlägt. Hier kann von einem falschen Moralismus keine Rede sein, denn trotz der berechtigten moralischen Anklage dieser Greuel betont Klein gerade, daß es entscheidend sei, zu fragen, wem und welchen Zielen diese Foltermethoden nützen?
Zu den dümmsten Vorwürfen gegen ihr Buch, die man im deutschen Feuilleton und Fernsehen lesen und hören mußte, gehört die Behauptung, Klein vertrete eine Verschwörungstheorie. Statt dessen demonstriert sie, daß das Handeln bestimmter Individuen und Pressure-Groups einer eigenen Rationalität folgt. Diese ergibt sich aus dem Denken und Handeln der sogenannten Chicagoer Schule des Neoliberalismus. Heraus kommt ein entfesselter Kapitalismus, der offen auf individuelles Gewinnstreben und ungezügelte Bereicherungsgier setzt, um die vermeintlichen Kräfte der Marktwirtschaft zu beleben – als ob diese nicht schon viel zu lebendig wären. Die gemeinschaftlichen und demokratischen Traditionen werden dabei ebenso zerstört wie jede Form gesellschaftlicher Solidarität verhindert. Was dem Indivualismus entgegensteht, wird unter Generalverdacht gestellt. Für Klein ist es klar, daß nur die Bedürfnisse und Bewegungen für Solidarität und radikale Demokratie einen Ausweg aus dieser tiefen gesellschaftlichen Krise zu weisen vermögen.
In ihrem neuen Buch »Die Schock-Strategie«, das sofort nach Erscheinen zum Bestseller wurde, versammelt Naomi Klein viele solcher kleinen und großen Geschichten. Doch darauf spielt ihr Titel nicht an. Mit Schock-Strategie bezeichnet sie den Umstand, daß die Herrschenden gelernt haben, gesellschaftliche Katastrophen jeder Art für ihre Zwecke auszunutzen. Das Desaster gilt ihnen als entzückende Chance, mittels ökonomischer Deregulierung ehemals staatlich-gesellschaftliche Aufgaben zu privatisieren. Selbstredend werden dabei die Verluste sozialisiert.
Die Konsequenzen dieser »Schock-Strategie« zeichnet Klein für das letzte halbe Jahrhundert nach. Dabei schreibt sie, anders als es die bürgerlichen Medien kolportieren, keinesfalls reißerisch. Im besten traditionellen Sinn wird man hier aufklärt über das Ausmaß der ökonomischen Barbarisierung und über deren gesellschaftspolitische Bedingungen. Wer nicht den Kopf verlieren will in einer Zeit, die hierzu einlädt, muß »Schock-Strategie« lesen, anstatt sich das Buch nur in das Regal zu stellen. Mit journalistischer Verve und mit detektivischem Sinn hat Klein die (nicht selten geheime) Geschichte des neoliberalen Kapitalismus in Lateinamerika, Asien, Osteuropa und der USA aufgeschrieben.
Wo andere nur oberflächliche Ähnlichkeiten einzelner Phänomene ausmachen können, stiftet sie Zusammenhänge. Was hat der Wirbelsturm »Katrina« mit dem Irak-Krieg zu tun? Wie hängt die Aufstandsbekämpfung gegen die lateinamerikanische Guerilla der 1960er Jahre mit dem Finanzcrash in Asien Ende der 1990er Jahre zusammen? Und wie die lateinamerikanische Schuldenkrise mit der ökonomischen Schock-Strategie, die nach 1989 in Osteuropa angewendet wurde? Besteht eine Verbindung zwischen den Folterbildern aus Abu-Ghraib und den wissenschaftlichen Forschungen eines Psychiaters in den 1950er Jahren?
Bei der Klärung dieser Fragen bündelt Klein viele wichtige Arbeiten zur Kritik des Neoliberalismus. Das macht das hervorragende Buch nicht nur zu einer interessanten Form von Netzwerkarbeit, sondern auch zu einem Kompendium. Sehr überzeugend verdeutlicht sie die neue Qualität der Entstaatlichung. Sie stellt einleuchtend dar, wie die US-Regierung nach dem Schock des 11. September 2001 den eigenen Staat aushöhlt: Unter dem Banner des »Kampfes gegen den Terror« wird ein ökonomischer Katastrophen-Kapitalismus-Komplex als neue Leitindustrie durchgesetzt, der auf der umfassenden Privatisierung des Krieges und des weltweiten Katastrophenschutzes aufbaut. So wird ein neuer Sicherheitsstaat geschaffen, der der neoliberalen Vision eines gleichsam hohlen Staates entspricht. Das ist eine Herausforderung für jede Diskussion um das Wesen und die Zukunft heutiger Demokratien.
Wie sonst nur wenige zeigt Klein auf, daß die durchschlagende Politik der Deregulierung und Privatisierung gesellschaftlichen Reichtums keine Leidenschaft esoterischer Entscheidungsträger ist, sondern das Mittel eines Herrschaftsprojektes. Dieser Klassenkampf von oben reagiert auf die radikaldemokratischen Bedürfnisse und Bewegungen, indem er ihnen nicht nur die institutionellen Grundlagen ihrer »Gegenmacht« entzieht, sondern ihnen auch noch das Bewußtsein ihrer (wie auch immer kollektiv verankerten) individuellen Identität nimmt. Es waltet ein Nihilismus mit System, der sich in neueren Foltermethoden auf erschreckende Weise niederschlägt. Hier kann von einem falschen Moralismus keine Rede sein, denn trotz der berechtigten moralischen Anklage dieser Greuel betont Klein gerade, daß es entscheidend sei, zu fragen, wem und welchen Zielen diese Foltermethoden nützen?
Zu den dümmsten Vorwürfen gegen ihr Buch, die man im deutschen Feuilleton und Fernsehen lesen und hören mußte, gehört die Behauptung, Klein vertrete eine Verschwörungstheorie. Statt dessen demonstriert sie, daß das Handeln bestimmter Individuen und Pressure-Groups einer eigenen Rationalität folgt. Diese ergibt sich aus dem Denken und Handeln der sogenannten Chicagoer Schule des Neoliberalismus. Heraus kommt ein entfesselter Kapitalismus, der offen auf individuelles Gewinnstreben und ungezügelte Bereicherungsgier setzt, um die vermeintlichen Kräfte der Marktwirtschaft zu beleben – als ob diese nicht schon viel zu lebendig wären. Die gemeinschaftlichen und demokratischen Traditionen werden dabei ebenso zerstört wie jede Form gesellschaftlicher Solidarität verhindert. Was dem Indivualismus entgegensteht, wird unter Generalverdacht gestellt. Für Klein ist es klar, daß nur die Bedürfnisse und Bewegungen für Solidarität und radikale Demokratie einen Ausweg aus dieser tiefen gesellschaftlichen Krise zu weisen vermögen.
* Naomi Klein: Die Schock-Strategie. Der Aufstieg des Katastrophen- Kapitalismus: Fischer-Verlag, 763 Seiten, Frankfurt am Main, 22,90 Euro.
1 Kommentar:
tolles Video! Werde mir dieses Buch von Klein wohl auch noch anschaffen.
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