Anbei ein ausführlicher Artikel zum 100. Geburtstag einer Antifaschistin!
Eine Unerschrockene
Die Münchener Antifaschistin Lina Haag beging ihren 100. Geburtstag
Von Christiane Kröll
In München ist die antifaschistische Widerstandskämpferin Lina Haag am Donnerstag 100 Jahre alt geworden. Ihr Lebensmotto lautet bis heute:»Empören genügt nicht, man muß auch tätig werden – kämpfen!«
Am 18. Januar 1907 in Haglfing/Schwaben als uneheliches Kind einer früheren Bauernmagd geboren, lebte sie in einfachen Verhältnissen. Sie trat in den Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) ein, wo sie ihren späteren Mann Fred Haag kennenlernte. Der 1904 geborene Schreiner zog mit 28 Jahren als jüngster Abgeordneter für die KPD in den Stuttgarter Landtag ein. Unmittelbar nach der Machtübertragung an die Faschisten wurde er von der SS abgeholt und ins Gefängnis gebracht. Es folgten Inhaftierungen in den Konzentrationslagern auf dem Oberen Kuhberg in Ulm, in Dachau und Mauthausen.
Lina Haag wurde nach dem »Reichstagsbrand« wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« von den Nazis verhaftet und viereinhalb Jahre in verschiedenen Gefängnissen und Konzentrationslagern festgehalten. Im KZ Lichtenburg begegnete sie der Berliner Kommunistin Olga Benario. »Ich mag gar nicht daran denken, das kommt dann alles wieder ganz lebendig auf mich zu. Auf einmal steht die Olga wieder direkt vor mir«, erzählte sie mir kurz vor ihrem 100. Geburtstag. Über ihren Mann erfuhr sie während der Haft kaum etwas. Die gemeinsame Tochter Käte lebte bei den Großeltern und die Faschisten versuchten, sie als Druckmittel gegen ihre Mutter einzusetzen.
1939 kam Lina wieder frei. Sie machte sich sofort auf den Weg nach Berlin, um für die Freilassung ihres Mannes zu kämpfen. Durch ihre Unnachgiebigkeit drang sie bis zum Reichsführer SS Heinrich Himmler vor. Sie erklärte ihm: »Ich habe immer nur dafür gekämpft, was ich für gut und recht gehalten habe. Auch mein Mann hat immer dafür gekämpft.« Noch heute erschaudert sie, wenn sie sich an diese Situation erinnert: »... wie ich vor Himmlers Schreibtisch gestanden bin und innerlich gezittert habe. Ein falsches Wort, dachte ich, und es ist vorbei. Das kann man anderen Leuten nicht erzählen. Man kann nicht erklären, wie es wirklich ist, wenn du verzweifelt etwas von jemandem willst, der dich mit einem Fingerzeig in den Keller runterschmeißen kann.« Ihr Mut und ihr unerschrockenes Auftreten machten sich bezahlt: Fred Haag wurde tatsächlich entlassen, aber bald darauf an die Ostfront geschickt. 1944 galt er als verschollen. Lina arbeitete zu dieser Zeit in Garmisch im Riesserhotel als Masseurin und begann ihre Erlebnisse als »unendlichen Liebesbrief« (Oskar Maria Graf, 1963) aufzuschreiben. Es war ein Offizier der US-Armee, die Garmisch am 1. Mai 1945 befreite, der die Antifaschistin drängte, die Aufzeichnungen zu veröffentlichen. Ihr Buch »Eine Handvoll Staub« erschien erstmals 1947 und war eines der frühesten Dokumente des antifaschistischen Widerstandes in Deutschland.
Fred Haag kam 1948 aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft zurück und nahm seine Arbeit in der KPD wieder auf. Er wurde akiv in der Lagergemeinschaft Dachau, für das Internationale Dachau-Komitee und als Landesvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) Bayern. Auch Lina Haag, die nach der Befreiung als Krankengymnastin arbeitete, hat weitergemacht und ist ihren Grundsätzen treu geblieben. Oskar Maria Graf schrieb einmal über sie: »Sie kennt keine Flucht aus der Wirklichkeit, sie bleibt mit allen Fasern ihrer Persönlichkeit in der Zeit, fühlend, beobachtend, urteilend und kämpfend für eine bessere Zeit.«
Vor ihrem 100. Geburtstag gefragt, ob sie noch einmal dieses Leben leben würde, hat Lina nicht lange gezögert: »Aber sicher. Glaubst du, ich könnte mich zu Hause hinsetzen? Wenn man jung ist und Kraft hat, dann muß man kämpfen und sich wehren. Heute würde ich gegen den Krieg kämpfen, gegen die Lüge und das Unrecht; dagegen, daß Lehrer, die sich wehren, wieder rausgeschmissen werden und dagegen, daß die neuen Nazis wieder da sind und Millionen ausgeben können, um ein Hotel zu kaufen.«
Quelle:
http://www.jungewelt.de/2007/01-19/005.php
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1 Kommentar:
Sehr beeindruckendes Leben. Auch wenn ich natürlich politisch anderer Auffassung bin als Frau Haag kann man vor ihrem Engagement nur tiefen Respekt empfinden, gleiches galt auch für Peter Gingold den ich ja glücklicherweise wenige Monate vor seinem Tot im Cafe am Grün Live erlebt habe.
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